Der deutsche Mittelstand – Digitalisierung ist wichtig, aber wir machen nix!

 In Allgemein

Die oben in der Headline geäußerte Realität beschreibt das Kernproblem des deutschen Mittelstands eigentlich ausreichend. Und mit dem Zusatz: Dies wird eben diesen deutschen Mittelstand in den nächsten 5 bis 10 Jahren seine starke Stellung kosten, könnte ich hier schließen. Sie müssen also nicht zwingend weiterlesen. Falls Sie ein paar Ausführungen hierzu interessieren, bitteschön.

Bevor ich jetzt alle Mittelständler über einen Kamm schere. Natürlich gibt es auch welche, die die Bedeutung der Digitalisierung verstanden haben und sich entsprechend aufgestellt haben oder aktuell aufstellen. Sie finden hier auf der Homepage u.a. das Zitat von mir: „Der deutsche Mittelstand hat noch nicht verstanden, dass der Wettbewerb nicht im nächsten Bundesland hockt, sondern Alibaba oder Amazon heißt und aus China oder den USA kommt.“ Diesen teilte ich letztens auf Facebook und Thomas Forster von Hansgrohe erwiderte sofort, dass man selbst bereits mit Alibaba kooperiere. Ich versprach, dies ausdrücklich zu erwähnen, was ich hiermit tue. Hansgrohe scheint mir aber doch eher die Ausnahme als die Regel zu sein.


Die Gründergeneration entwickelte Neues. Genau das ist nun wieder nötig.

Die Realität sieht so aus: Die meisten Lenker deutscher Mittelstands-Unternehmen sind eher Ingenieure als Manager oder Marketers. Oftmals sind die Unternehmen in Hand der zweiten oder dritten Familiengeneration. Gleichzeitig sind diese Unternehmen aber erfolgreicher als je zuvor. Wer von uns würde nicht der Verführung unterliegen, zu sagen: Wir machen alles richtig, wir wissen, wie unser Geschäft funktioniert. Diesen Weg werden wir nicht ändern. Genau hier liegt das grundsätzliche Verständnisproblem:

Die erste Generation, die Gründergeneration dieser Unternehmen hat etwas entwickelt, was der Markt brauchte. Was es noch nicht gab. Die Jahrzehnte danach wurden die Produkte dann verbessert, diversifiziert und im Zuge der Globalisierung international vermarktet und verkauft. Damit wurde die deutsche Wirtschaft stark. Die Digitalisierung aber entspringt nicht deutscher Ingenieurskunst. Sie ist vielmehr eine Mischung aus technologischer und kultureller Revolution, die von Beginn an global ist. Genau damit ist die Dynamik aber eben auch sofort global – und der Wettbewerb.


Globale Märkte und globaler Wettbewerb

Somit stehen deutsche Unternehmen vor einer völlig neuen Herausforderung. Marktführer hierzulande zu sein oder auch weltweit, ist keine Garantie. Für nichts. Beispiel gefällig: Als Amazon in einem Test im Weihnachtsgeschäft in München seine Produkte selbst auslieferte, verlor DHL in dem Gebiet 25-30 % seines Geschäfts. Und Amazon ist durch seine fast komplette Wertschöpfungskette in einer guten Position, die immer technischer werdende Logistik zum eigenen Vorteil auszubauen. Der Wettbewerb für DHL, Hermes & Co. kommt also nicht aus dem eigenen Markt. Er kommt von einem globalen Technologiekonzern. Der baut jetzt übrigens auch wieder Buchläden.

Nächstes Beispiel Agrarbusiness. Ich sprach letztens vor einem der großen Agrarkonzerne Deutschlands. Und ich wies mehrfach darauf hin, dass Lagerkapazitäten ein wesentliches Asset für die Zukunft sein können. Aber nicht zwingend müssen. Das oben bereits erwähnte Alibaba ist weltweit einer der größten Marktplätze. Auf diesem werden auch enorme Sortimente und Mengen im Agrarbereich verkauft. Und dies, ohne dass Alibaba für all diese Produkte Lagerkapazitäten vorhalten würde. Was übrigens eine Menge Geld spart. Lange Zeit war Alibaba etwas in China – ohne Relevanz für Deutschland oder Europa. Doch Alibaba zieht es nach Europa, auch nach Deutschland. Und somit entsteht hier ein neuer Player, der mit dem Agrarhandel eigentlich erstmal nichts zu tun hat. Mit dem Merger von Bayer und Monsanto kommt nochmal eine ganz neue Konkurrenz, auch in Bezug auf Digital Farming – die Zukunft der Landwirte.


Das Besondere ist die Dynamik, die Wucht der Veränderung!

Was für viele Unternehmenslenker im Mittelstand, der zumeist B2B ist, zusätzlich neu ist, ist die enorme Dynamik der Digitalisierung. Wenn ein global operierendes Unternehmen oder ein Start-Up sich entscheidet, in ein neues Feld zu gehen, dann passiert dies mit großer Geschwindigkeit. Dies hängt mit zwei zentralen Faktoren zusammen. Erstens führt die Digitalisierung generell zu einer enormen Beschleunigung der Produktentwicklung. Zweitens sind Angebote heute sehr schnell international bzw. für bestimmte Märkte ausrollbar. Es gibt im Web keine Grenzen. Ein digitaler Marktplatz ohne eigene Lagerkapazitäten – siehe Alibaba – hat für einen Markteintritt nicht viele Hürden zu nehmen.

Dieser Herausforderung sind sich viele schlichtweg nicht bewusst. Geplant wird immer noch in 3-Jahres-Zyklen. In dieser Zeitspanne ist aber so viel passiert, dass die Planungen von heute schon wieder angepasst werden müssen.


Anfangen. Studieren. Probieren.

Es gibt nur einen Weg, dem zu begegnen: Selbst wie die Gründergeneration des eigenen Betriebs agieren. Sich klar werden über das, was gebraucht wird und was man entwickeln kann. Und dann machen, bevor es andere tun. Die Digitalisierung ist eine Gefahr, aber sie birgt sehr viele Chancen. Kunden wie Unternehmen können noch gar nicht genau abschätzen, was zukünftig möglich ist und nachgefragt wird. Es geht wieder ums Gestalten, ums Entwickeln, um die Schaffung von etwas Neuem.

Besinnt sich der deutsche Mittelstand auf seiner Gründergeneration und bringt dies zusammen mit digitaler Kompetenz, dann hat er eine Chance, seine Stellung zu behalten.

Die deutsche Politik wäre aufgerufen, den Digitalstandort Deutschland bzw. Europa aktiv und mit entsprechenden Mitteln zu fördern. Ohne den starken Mittelstand verliert Deutschland seine Position in der Welt!


Photo Source: https://medium.com/world-of-iot/understanding-the-german-mittelstands-contribution-towards-making-germany-a-manufacturing-world-68d4d6033e21

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