Lernen aus der Pandemie: Data rulez!

 In Allgemein

Die Corona Pandemie hat endgültig offengelegt, wie wichtig Daten heutzutage sind, um Entscheidungen treffen und begründen zu können. Deutschland hinkt hinterher. Unternehmen können davon lernen.

Wie ist die Inzidenz? Welchen Anteil hat Omikron? Wieviele Geimpfte liegen auf den Intensivstationen? Wieviele Infizierte haben Long Covid Symptome?  Dies sind klassische Fragen der letzten Wochen rund um Corona. Politik und Wissenschaft haben hierzulande Probleme, diese Fragen valide zu beantworten. Deutschland hinkt bei der Digitalisierung und Datenintelligenz anderen Ländern weit hinterher. Was sind die Kernprobleme? Was muss dringend passieren?


Die Notwendigkeit erkennen!

Zunächst einmal müssen politische Entscheidungsträger verstehen, dass sie in einer solchen Ausnahmesituation, die aller Wahrscheinlichkeit nicht die letzte dieser Art sein wird, ohne faktische Basis Probleme bekommen, Entscheidungen den Bürgern gegenüber glaubwürdig zu vermitteln. Beispiel:

Wenn der bayerische Ministerpräsident oder Herr Tschentscher in Hamburg Zahlen und Grafiken öffentlichkeitswirksam vorlegen, um die Notwendigkeit der Impfungen zu argumentieren, dann sollten diese wasserdicht sein. Wenn der überwiegende Teil der Krankenhaus Patienten keinen geklärten Impfstatus besitzt, dann kann man diese nicht einfach den Ungeimpften zuschlagen, weil es der politischen Agenda dient. Man läuft hier in zwei Probleme hinein: Erstens ist man angreifbar, was das Ziel einer hohen Impfrate gefährdet. Zweitens kommt man evtl. zu Fehleinschätzungen, weil man den Anteil der Impfdurchbrüche nicht einschätzen kann und dann bei politischen Interventionen evtl. falsch entschiedet. Auf jeden Fall gefährdet man das Vertrauen in die politischen Entscheidungen.

Bei der heutigen Transparenz gibt es immer jemanden, der Zahlen prüft. In diesem Fall war das vor allem Tim Röhn von der Welt. Egal, wie man das inhaltlich einschätzt. Es ist gut, dass Medien diese Rolle wahrnehmen. Das ist ihre Aufgabe. Sie zwingen damit Politik zu mehr Sorgsamkeit und Genauigkeit.

Nun unterstelle ich Markus Söder und anderen hier keine Absicht sondern beste Motive. Ich gehe auch davon aus, dass sie von der Richtigkeit ihrer Aussagen überzeugt waren, denn diese basieren ja auf gelieferten Daten von RKI, DIVI & Co. Fakt aber ist, dass die Datenbasis ist an ganz vielen Stellen viel zu schwach ist. Warum?


Gesundheitssystem und Verwaltung digitalisieren!

Unser Gesundheitssystem und die öffentliche Verwaltung sind nicht oder nicht ausreichend digitalisiert. Die Datenerfassung und Datenübermittlung laufen zu Teilen auf Papier.

Beispiel 1: Infektionszahlen werden per Fax verschickt. Ohne Menschen funktioniert das nicht. Daraus resultieren Meldeverzug an Wochenende und Feiertagen. Wer will den Mitarbeitern verdenken, auch mal Pause zu machen? Das Drama ist, das in unserer heutigen digitalen Welt nicht längst Systeme diese Arbeit zu großen Teilen übernehmen, so dass ich wesentlich unabhängiger von der Personalstärke werde. Das wäre auch Teil des Infektionsschutzes, weil weniger menschliche Kontakte eben auch weniger Ansteckungsrisiko bedeuten.

Beispiel 2: Bei Infektionsverdacht wird zeitnah PCR Test gemacht. Das geht schnell. Dann dauert es, ehe die Ergebnisse des Tests über die Gesundheitsämter zum Getesteten kommen. Meistens nicht, weil das Testergebnis nicht da wäre, sondern weil der Kommunikationsweg so steinig ist. Teilweise vergehen 5 Tage. In dieser Zeit war diese Person mit so vielen Menschen im Kontakt, dass die Nachverfolgung komplett hinfällig wird. Die Quarantäne übrigens auch.

Hier braucht es klare Prozesse mit möglichst starker Automatisierung. Dies wird nur mit einer konsequenten Digitalisierung gelingen. Institutionen müssen vernetzt werden. Kommunikationsstandards müssen etabliert werden. Datenschutz ist ein Thema, zum Beispiel auch mit Blick auf die Corona Warn App. Aber nicht überall steht der Datenschutz im Weg.


Datenintelligenz aufbauen

Nahezu täglich sehen wir im Netz Modellierungen. Das RKI legt regelmäßig Berechnungen vor. Die Modellierungen zur Welle im Herbst 2021 waren erstaunlich genau. Wenn solch zentrale Institutionen seriöse Voraussagen machen, dann baut das Vertrauen auf. Für politische Entscheidungen ist dies eine ganz entscheidende Grundlage. Wichtig ist nur, dass diese Modellierungen nicht missbraucht werden, um im Nachhinein Evidenz für die bereits erfolgten Entscheidungen zu liefern.  Es muss genau andersrum sein: Wissenschaft liefert die Evidenz, nach denen Politik entscheidet.

Quelle: RKI, 22.07.2021

Man kann alles modellieren und dabei gibt es je nach Annahmen ein riesiges Spektrum. Wichtig ist, von Annahmen auszugehen, die bereits ein Stück weit belegbar sind. Schwierig wird es, wenn jede noch so kleine Studie unabhängig von der Methodik übernommen wird. Diesem Problem unterliegt auch der neue Gesundheitsminister.

Beispiel: Mit Aufkommen der ersten Omikron Fälle in Südafrika wurde zunächst über eine größere Anzahl von Kindern in Krankenhäusern berichtet. Karl Lauterbach warnte schnell vor einem erhöhten Risiko für Kinder durch Omikron. Dabei gibt es einen Unterschied, ob Kinder wegen Omikron eingewiesen wurden – oder aus ganz anderen Gründen und bei ihnen auch eine Infektion mit Omikron festgestellt wurde. Gleiches gilt für Erwachsene.

Bislang hat sich durch diverse Studien ein erhöhtes Gesundheitsrisiko für alle Altersgruppen durch Omikron nicht bestätigt. Im Gegenteil, es wurde ein deutlich geringeres Risiko nachgewiesen. Dies hat Einfluss auf politische Entscheidungen. Zum Beispiel für die Dauer der Quarantäne. Der Gesundheitsminister verspielt hier Vertrauen mit vorschnellen Einschätzungen. Hilfreich wäre eine zentrale Stelle, die Daten bewertet und zu den richtigen Ableitungen kommt. Das kann das RKI sein oder auch ein Expertenrat. Auf diese sollten sich politische Entscheidungsträger dann stützen.

Hier geht es eher um Substanz als um Schnelligkeit.


Von anderen lernen. Und investieren!

Andere Länder sind hier deutlich weiter. In UK werden die Tests beispielsweise deutlich besser sequenziert. Dort kannte man den Anteil der Delta Variante weit vor Deutschland. Gleiches gilt für Omikron. Während Deutschland andere Länder mit guter Sequenzierung zu Risikogebieten machte, verbreitete sich Omikron bei uns, ohne dass es irgendwo Zahlen zum Anteil gegeben hätte. Bis zum Jahresende war Deutschland bezüglich Omikron quasi im Blindflug, inkl. der oben beschriebenen Meldeverzögerungen.

Hier gilt es, von anderen zu lernen. Und Gelder freizumachen für die Digitalisierung und Datenintelligenz. Dies ist eine Aufgabe für das Gesundheitsministerium um Herrn Lauterbach und das Ministerium für Digitales und Verkehr um Volker Wissing.


Ausblick Long COVID

Besonders relevant dürfte das für das Thema Long COVID sein. Es muss davon ausgegangen werden, dass Hunderttausende in Deutschland in den nächsten Jahren an lang anhaltenden Symptomen der Corona Infektion leiden werden. Wie hoch der Anteil genau ist, ist aktuell schwierig zu beziffern. Ob die Symptome wieder verschwinden, bei welchem Anteil, ist offen. Klar aber ist, das Long Covid für die Sozialkassen eine große Herausforderung sein wird. Es braucht Investitionen in Studien für Medikamente, in Therapien, Reha und Wiedereingliederung oder anhaltende Absicherung.

Politik reagiert auf Zahlen. Von daher muss aus meiner Sicht ein Long Covid Register aufgebaut werden, das Betroffene erfasst. Dies ist bei einer diffusen Symptomatik nicht ganz einfach. Es ist aber notwendig, um davon ausgehend über Maßnahmen und Gelder entscheiden zu können. Damit muss jetzt begonnen werden. Das Thema ist da. Es bewegt sich bisher nur unter einer gläsernen Decke, weil keine Daten erfasst sind.


Was Unternehmen lernen können

Was für die Politik und Verwaltung gilt, gilt auch für die Wirtschaft. Unternehmen verfügen heute über eine Vielzahl an Daten. Im Vertrieb, in Marketing und Kommunikation, in der Produktentwicklung. Aus Erfahrung vieler Datenprojekte der letzten Jahre mit dem MUNICH DIGITAL INSTITUTE kann ich aber sagen, dass dort zu großen Teilen gleiche Probleme herrschen.

  1. Daten liegen dezentral.
  2. Bereiche sind nicht verbunden. Daten damit teilweise nicht nutzbar.
  3. Es fehlt an Datenkompetenz und Lust auf Umgang damit.
  4. Es gibt keine attraktive Aufbereitung.
  5. Daten werden nicht zusammengeführt und modelliert für nutzbare Aussagen und Zukunftsplanungen.
  6. Durch fehlende Kompetenz entstehen Fehlinterpretationen.
  7. Daten werden häufig über Tabellen verwaltet. Es gibt keine Automatisierung und ständige Aktualisierung. Ergo: Es fehlt der Mehrwert.

Aus all diesen Punkten kann es nur eine Konsequenz geben: Den Aufbau einer zentralen Business Intelligence (BI) mit entsprechenden IT-Systemen. Der Start kann ein Pilotprojekt sein in einem Bereich, in dem der Use Case besonders klar ist. Von dort aus kann man weitermachen.


2022 – das Jahr der Daten!

Aus meiner Sicht muss 2022 das Jahr der Daten werden. Niemals zuvor wurde die Notwendigkeit so deutlich wie jetzt durch Corona. Politik, Verwaltung, Unternehmen müssen erkennen, dass Datenintelligenz organischer Teil einer Digitalisierungs-Strategie ist. Es wird höchste Zeit, das Thema ernsthaft anzugehen!

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